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Gemeindebrief 2019-2

GemeindebriefMD2019 2Den Gemeindebrief 1/2019 (Juni / Juli / August) können Sie lesen, wenn Sie auf den Link klicken. Aus dem Inhalt des Gemeindebriefs:

Himmelweite Gnade

Liebe Leserinnen und Leser!

Ich kann mich ganz auf mich selbst konzentrieren. Vor mir sehe ich, was ich tun könnte. Ich sehe meine Möglichkeiten. Ich nehme, genieße. Mehr Möglichkeiten tun sich auf. Ich komme weiter. Ich fühle mich gut und freue mich. Je weiter ich komme, desto mehr nehme ich für mich. Das ist schön: Immer mehr können, selbstständiger werden, selbstsicherer werden, mehr Erfahrungen machen, mehr haben, auf neue Horizonte zugehen … mein Leben leben.

So ist jedenfalls die Theorie. In der Wirklichkeit stolpert fast jeder irgendwann, stößt sich und tut sich weh. Unsicherheit kriecht hinter die selbstsichere Fassade.

Plötzlich muss ich wissen, wo ich stehe. Wie bin ich hierher gekommen? Welchen Weg gehe ich eigentlich? Wo führt der wirklich hin? – Ich will sozusagen meinen Weg von oben überblicken, vom Himmel herab, anstatt immer nur nach dem nächsten zu greifen, was gerade vor mir auftaucht.

Von oben sieht man, was alles war. Wer hat etwas Gutes von meinem Leben gehabt? Welches Muster hat meine Entscheidungen bestimmt? Was bin ich für ein Mensch? – Wie sieht Gott mein Leben? Letztlich kriege ich eine Ahnung davon, wie Gott mein Leben sieht, wenn ich versuche, die Perspektive von oben zu bekommen, um endlich einen Überblick zu haben. Gott sieht, dass auf meinem Weg manches kaputt gegangen ist und ich den Karren in den Dreck gefahren habe.

Am 7. Juli (3. Sonntag nach Trinitatis) hören wir Jesus von dem Schaf erzählen, das lange einfach hinter seiner eigenen Nase her geweidet ist. Es ist weit gekommen. Und dann war es plötzlich in Not und allein. – Aus Gottes Sicht war sein Weg Schritt für Schritt ein Weghören. Es hat sich auf sich selbst konzentriert. Es hat sich nicht um die Stimme des Hirten gekümmert.

Was macht das mit dem da oben? Gott müsste doch voller Ärger und Frust sein! Es müsste ihn doch ganz zu den anderen hinziehen, die ihm viel näher geblieben sind. Müsste nicht der Himmel voller Genugtuung darüber sein, dass einer festhängt, der doch den Karren seines Lebens selbst festgefahren hat?

Aber es sieht ganz anders aus da oben! Der Himmel ist voller Gnade. Die ist so groß und weit wie der Himmel. Niemand kann so weit weg irren, dass keine Gnade mehr über ihm ist! Gott kommt selbst herunter und läuft dem hinterher, der den Karren seines Lebens in den Dreck gefahren hat.

Jesus spricht von dieser himmelweiten Gnade und von sich selbst, wenn er erzählt, wie der Hirte dem einen Schaf nachgeht, bis er es findet. Dann hilft er ihm zurück. So ist Jesus: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19,10) Diese Gnade und Liebe Gottes kennt keine Grenzen. Sie macht es möglich, dass wir es wagen, unser Leben aus Gottes Sicht anzusehen, auch wenn es schmerzlich ist. Dann sind wir unter denen, die „ihn fürchten“, wie es im Psalm 103 heißt: „So hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.“ Und dann zeigt Gott uns seine Liebe, und wie wir uns nicht mehr auf uns selbst konzentrieren, sondern seiner Liebe folgen.

Ihr/euer Pastor Rudolf Pfitzinger